Josef Liebl (1831–1887) war Stadtarzt in Brixen, doch nicht nur das: er war der erste Chirurg, der in Südtirol eine Operation durchführte. Wie das mit dem Brückenwirt zusammenhängt?
Sein Sohn Ludwig, der als Gemeindearzt im österreichischen Seefeld praktizierte, beschrieb ein medizingeschichtlich wichtiges Ereignis aus dem Leben seines Vaters, dessen Schauplatz der Brückenwirt war:

Die Segenswirkung der modernen Chirurgie erfassend, bildete sich Liebl bei Dumreicher in Wien zum erstklassigen Chirurgen aus […]. Es war die erste, zur damaligen Zeit große Operation, welche der junge Arzt bei der alten Zenzl, Kellnerin beim Brückenwirt in Neustift bei Brixen ausführte. Sie kannte ja den Josef von Kindsbeinen an, ihr Glauben an ihn und seine ärztliche Kunst war unerschütterlich und so verschrieb sie sich ihm mit Leib und Seele. Sie verschrieb sich ihm, wie man sich dem ‚Tuifl‘ verschreibt, denn tatsächlich wurde dieses Vorhaben einer Bruchoperation auch von der Intelligenz als Teufelswerk erachtet. Nach der gelungenen Operation, die im Brückenwirtshaus stattfand, entging der sonst so bekannte und beliebte Josef mit knapper Not einer Steinigung. Wochenlang schritt er als Geächteter dahin und kaum konnte man es ihm glauben, daß die Zenzl wieder frohgemut die vielen Gäste bediente und vom Josef erzählte, der sie so wunderbar von ihrem unerträglichen  Leiden ‚mit dem Messer in der Hand‘ geheilt hat. Der Brückenwirt schnitt dabei am besten ab, denn die Gaststuben waren voll Neugieriger, die den Worten der alten Zenzl über das Unerhörte, was an ihr geschehen war, lauschten. Als wieder einmal der Josef bei ihr Einkehr hielt, da eilte die Zenzi in ihre Kammer, holte den Strumpf aus der Truhe, entnahm ihm vier blanke Goldstücke und gab sie vor den Leuten in der Gaststube dem Josef: ‚As nit verhungerst, Du armer Häuter!‘ sagte sie ihm. Denn sie wußte, daß es dem Josef durch die niedere Hetze herzlich schlecht ging: seit Wochen nur trockenes Kommisbrot und ein Vierertatten war der eiserne Vorrat, den er mit Frau und Kindern teilen mußte. […] Nachdem sich Dr. Liebls Namen und Ruf gefestigt, erstreckte sich als damals wohl einzigem Arzt das Gebiet seines Arbeitsfeldes nicht nur über Brixen selbst und seinem Talkessel, sondern auch über das Pustertal bis Bruneck, nach Süden bis Waidbruck mit Kastelruth und das Grödner Tal.

Dr. Ludwig Liebl. Zitiert nach: P. Tschurtschenthaler: Das Ärztegeschlecht der Liebl. Zur 100jährigen Wiederkehr des Geburtstages des großen Arztes und Menschenfreundes Dr. Josef Liebl von Bressanone. In: Der Schlern (12), Nr. 9 vom September 1931, S. 398-401, bes. S. 400.